Sein reiches Oeuvre umfasst Kammer-
und Orchestermusik, Kantaten und Messen, sowie 250 Chorsätze. 1981
wurde ihm der Prix du Conseil d'Etat du canton du Valais und 1987 der Prix
de la ville de Sion zuerkannt. Jean Daetwyler genoss zu Lebzeiten vor allem
im Ausland als "Prototyp eines Schweizer Komponisten mit starker Beziehung
zur Alpenwelt" grosses Ansehen.
Konzert für Alphorn und
Orchester
(1970)
"Je fais de la musique comme un pommier fait ses pommes" lautet ein berühmter Leitsatz von Saint-Saëns, den Jean Daetwyler auch für sich beanspruchte. Er empfand seine Kompositionen als Ausdruck enger Naturverbundenheit, als eine Möglichkeit, ihre sich ständig wandelnden Erscheinungsformen mit "fliessenden" Tönen wiederzugeben.
1947 erlebte Daetwyler eine spezielle "Offenbarung": Im Anschluss an eine Orchesterprobe in Lausanne demonstrierte ihm der Hornist Joseph Molnar seine virtuose Spielfertigkeit auf dem Alphorn. Daetwyler war tief beeindruckt von den verschiedenen Klangmöglichkeiten dieses Instrumentes, die seinen kompositorischen Intentionen sehr entgegenkamen. Voller Aufregung notierte er sich auf einem Papierschnitzel den Tonumfang und verfasste noch am selben Abend den ersten Satz zu seinem Konzert für Alphorn und Orchester. Eine neue Leidenschaft war entflammt und inspirierte ihn in der Folgezeit zu 14 weiteren Werken für Alphorn und die verschiedensten Besetzungen.
Das Konzert für Alphorn und
Orchester beschreibt in 4 Sätzen das einfache Lebens in den Walliser
Alpen am Beispiel eines Schafhirten. Der erste Satz Appel à la prière
verweist auf das alte Zeremoniell des Gebetes unter freiem Himmel: der
Schafhirt bittet für seine Herde um Schutz vor bösen Geistern.
Dabei widerspiegelt die eröffnende Solopassage des Alphorns die unendliche
Einsamkeit des Hirten inmitten der bedrohenden Alpenwelt. Das anschliessende
Scherzo, mit Danse des chèvres bezeichnet, stellt den unbeschwerten
Alltag des Berghirten dar. Als dritter Satz erklingt eine feierliche Pastorale,
die als Andante die herrlich weite Alpenlandschaft mit ihren geheimnisvollen
Geräuschen wiedergibt. Der abschliessende vierte Satz (Danse des morts)
verweist auf die alte Tradition des Maskentanzes, der noch in verschiedenen
Walliser Tälern gepflegt wird. Er symbolisiert die Denkweise des einfachen
Schafhirten und seine natürliche Einstellung gegenüber dem Leben
und dem Sterben.