Musik und Malerei
Liebe Konzertbesucherin, lieber Konzertbesucher
Musik und Malerei so heisst das Leitmotiv der diesjährigen Konzertreihe der SCHWEIZER KAMMERPHILHARMONIE. Und wir fragen uns: Was haben die beiden Künste miteinander gemeinsam? Hören nicht die meisten Menschen Musik und sehen dabei nichts, weder Farben noch Formen? Und betrachten nicht die meisten Menschen ein Gemälde und assoziieren dazu weder Rhythmen noch Harmonien?
Interessant dürfte der Hinweis
sein, dass eine gezielt reflektierte Auseinandersetzung mit beiden Kunstformen
bereits innerhalb der Romantik einsetzte. Unter anderen ist es der zutiefst
musi-
kalische Dichter Clemens Brentano,
der die innere Verbundenheit, ja Austauschbarkeit des musikalischen wie
optischen Eindrucks in einem seiner schönsten Gedichte zum Ausdruck
brachte.
Abendständchen
Hör, es klagt die Flöte
wieder,
Holdes Bitten, mild Verlangen,
Und die kühlen Brunnen rauschen,
Wie es süss zum Herzen spricht!
Golden wehn die Töne nieder
Durch die Nacht, die mich umfangen,
Stille, stille, lasst uns lauschen!
blickt zu mir der Töne Licht.
Wir trauen nach einer genaueren
Lektüre dieses Gedichtes unseren Sinnen, das heisst unseren Ohren
und Augen nicht mehr. Da spricht jemand tatsächlich von Tönen,
die nicht wie Gold,
sondern golden niederwehen.
Ja mehr noch: In den beiden letzten Zeilen wird diese synästhetische,
die Sinne aus-tauschende Erfahrung, auf einen nicht mehr zu überbietenden
Höhepunkt geführt: Durch das alles umfangende Dunkel der Nacht
blickt(!) nicht etwa das Licht des Mondes oder der Sterne, sondern das
,Licht der Töne! Die Austauschbarkeit der Sinne als Synästhesie
wurde von nun an inspirierendes Stimulans sowohl für die Musik wie
für die Malerei.
Die Wege zu einer gegenseitigen Beeinflussung beider Künste waren damit noch nicht ganz erschlossen, aber sie führen direkt zu den tiefgreifenden Verwandlungsprozessen nicht nur der Musik, sondern auch der Malerei unseres Jahrhunderts heran. Heute sprechen wir nicht nur ganz selbstverständlich von Synästhesie, sondern bedienen uns ebenso selbstverständlich musikalischer Begriffe wie Harmonie, Dissonanz, Rhythmus im Bildaufbau, ja sogar des Farbklangs als Interpretationshilfen, wenn es nicht nur um Musik, sondern ebenso um Malerei geht.
Diese Art Kompositionen und ihre
stets ambivalente Abhängigkeit von Kunstwerken der
Malerei bringen interessante Begegnungen
an der diesjährigen Konzertreihe der SCHWEIZER KAMMERPHILHARMONIE.
Joseph Bättig