* 14.09.1910, Bern
Nach Jurastudien in Zürich arbeitete Rolf Liebermann als Assistent bei seinem Kompositionslehrer Herrmann Scherchen in Budapest und Wien. 1938 kehrte er als Musikkritiker in die Schweiz zurück, studierte Komposition bei Vladimir Vogel und betätigte sich 1945-1957 vorerst als Tonmeister, dann als Chef der Orchesterabteilung bei der Schweizerischen Rundfunkgesellschaft. 1959 erfolgte seine Berufung zum Intendanten der Hamburgischen Staatsoper. Im Laufe seiner 17 jährigen Tätigkeit leitete er dort über 20 Uraufführungen zeitgenössischer Kompositionen und machte damit diese Musikstätte zu einem internationalen Treffpunkt der Avantgarde. Mit dem gleichen Engagement arbeitete er 1973-1980 als Intendant der Grand Opera de Paris, dieses Mal aber als Förderer eines "Standardrepertoires".
Liebermanns Kompositionstätigkeit erstreckt sich von der Oper (u.a. Schule der Frauen) über Orchesterwerke (u.a. Furioso) bis hin zu abstrakten Experimenten (u.a. Bundesbrief der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291).
Als weltbekannte Musikerpersönlichkeit
durfte er unzählige Ehrungen und Preise entgegennehmen.
Suite über sechs Schweizerische
Volkslieder
(1947)
Liebermanns Kompositionen beruhen auf dem schöpferischen Umgang mit einem oder verschiedenen musikalischen "Materialien", wie Schweizer Volkslieder, Jazz und E-Musik, barocker Stil und 12-Ton Technik etc.. In seinen Memoiren ist zu lesen: "Wer vor seinem Notenpapier sitzt, im Begriff ohne andere Hilfsmittel als die oft recht kurzatmige Inspiration auszukommen, gerät leicht in Gefahr unterzugehen.....". Dieses Kompositionskonzept hatte aber seine Tücken: 1945 gelangte in New York die Suite über sechs Schweizerische Volkslieder unter der Leitung von Stokowsky zu einer vielbeachteten Uraufführung. Wenige Jahre später, nach der Aufführung der Oper Die Schule der Frauen, kam es zum unerwarteten Eklat: Der Kritiker der New York Harald Tribune war von der extremen stilistischen Weiterentwicklung Liebermanns schockiert und zog es vor: "....nach dem Anhören der Oper wieder der lieblichen Melodie seiner Schreibmaschine zu lauschen....... ".
Die Suite über sechs schweizerische Volkslieder (1944) entstand in einer Zeit des wachsenden Nationalbewusstseins, das sich vor allem als Reaktion auf die politische Unsicherheit heranbildete. Diese Entwicklung förderte auch die Pflege helvetischer Kulturgüter. Schweizer Volkslieder wurden wiederholt für Orchesterwerke herangezogen; allen voran von Willy Burkhard, dem diese Suite gewidmet ist.
Das Werk besticht durch die spielerische
Leichtigkeit der einzelnen Liedsätze und die durchsichtige Orchestrierung
- ein Hinweis darauf, dass Liebermann in Wien mit Busonis Lehre der "Neuen
Klassizität" in Berührung kam. Das stilistische Raffinement ergibt
sich aus der Auswahl und Anreihung der einzelnen Lieder mit ihren thematischen
und rhythmischen Bezügen bis zur Steigerung und Verdichtung im letzten
Satz. Dank dem ausgeprägten Mollcharakter liefert das Appenzeller
Volkslied "Schönster Abendstern" sowohl bei Liebermann, wie später
auch bei Huber das Thema für den langsamen Mittelsatz.